2024, series of 5, gelatin silver prints, 50 x 60 cm
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        Es ist dunkel und ich finde mich plötzlich auf einem kargen Fremdkörper, der durch das Tiefschwarz des Weltalls zu fliegen scheint, wieder. Nun weiß ich eigentlich dass ich nicht im Weltall bin denn ich bin ja hier her gekommen, zu Fuß, aber meine Kamera weiß das nicht. Sie sieht nur ihre eigene Behauptung und durch sie sehe ich in eine neue Welt, die eines fremden Himmelskörpers, zumindest könnte man das glauben beim Betrachten der Fotografien, die ich wie Proben von diesem Ort mitnehmen werde.

        Im Mai 1999 wird im Rahmen des Lincoln Near Earth Asteroid Research Projects für die Erforschung erdnaher Asteroiden der später auf den Namen 162173 Ryugu getaufte Asteroid entdeckt. Der Name bezieht sich auf Ryūgū-jō, übersetzt Drachenpalast, einen magischen Unterwasserpalast in einem japanischen Volksmärchen. In dem Märchen reist der Fischer Urashima Tarō auf dem Rücken einer Schildkröte zum Palast und bringt eine schwarze Kiste mit Geheimnissen zurück, ähnlich wie die japanische Sonde Hayabusa2, die 2018 nach einer Mission zur Erforschung des Asteroiden mit einer Kapsel voller Gesteinsproben und eben auch Fotos von der Oberfläche zurückkehrt.
        Auf diesen Fotos ist eine zerklüftete Landschaft zu sehen. Die im Vordergrund vom harten Licht der Sonde aufgehellten Felsbrocken strahlen hell auf und werfen scharfkantige Schatten nach hinten, wo das Gestein von immer weniger Licht erreicht wird und schließlich jäh abfällt in das unendliche Dunkel des Universums. Ein durch künstliches Licht belebtes Panorama.
        Es finden sich keine Indizien für die Dimensionen dieser Landschaft. Aber wohl einmal wieder welche für bisher unentdecktes Leben; dies zu finden ist schließlich das große Versprechen hinter dem Drängen des Menschen und seiner Maschinen in den Orbit. Im Fall von 162173 Ryugu gab es schon durch Fernerkundungsmethoden Hinweise darauf, dass dieser Asteroid sehr ursprünglich geblieben sein muss. Die im Rahmen der Hayabusa2-Mission gesammelten Proben zeigten, dass Ryugu komplexe organische Moleküle sowie Aminosäuren enthält. Und sogar einen Baustein des Erbgutträgers RNA haben die Forscher in dem Asteroidenstaub nachweisen können: die Nukleobase Uracil. Alles fundamentale Bausteine des Lebens.

          Ich stehe also im Dunkel auf dem Fremdkörper, der eigentlich ein Acker ist und betrachte seine Oberfläche im künstlichen Licht durch den Sucher meiner Kamera. Es sieht auf einmal so aus wie auf den Fotos von Hayabusa2, karg und unendlich kalt, eine »bildliche Darstellung des reglosen, geschminkten Gesichtes« (Roland Barthes) von Ryugu 162173. Aber hier, das weiß ich sicher, ist das Leben und hieraus erwächst, was die Menschen brauchen um zu existieren, alle wissen das. Auch meine Fotografien von dem Acker sind das ultimative Versprechen vom Leben und es ist gar nicht so weit weg.